Meinung - Olympiastafette und Boykott

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Das Reich der Mitte?
China zwischen Doppelmoral, Spießrutenlauf und Zensur
Autor, Copyright: Herbert Steffny
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(8.4.2008)

Wie bitte? Olympischer Frieden? Völkerverbindende Stafette? Die ignorante chinesische Führung läßt momentan keinen Fettnapf aus und zeigt ihr wahres Gesicht. Der olympische Fackellauf soll trotz Protesten weiter gehen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) diskutiert dagegen mittlerweile den internationalen Teil der Stafette abzubrechen.
Olympiaboykott - ein billiges Bauernopfer

Doppelmoral! Lange genug war auch von westlicher Seite politisch-opportunistisch eher "Friede, Freude, Eierkuchen", wenn es um pekuniäre Interessen und Händel mit China ging. Schon freuten sich die Olympiasponsoren Volkswagen, McDonalds, Coca Cola und Co. über die exklusiven Rechte und den Werbefeldzug in den Milliarden Markt im sogenannten "Reich der Mitte", dass seine Mitte noch nicht gefunden hat. Abgesehen von ein paar Lippenbekenntnissen haben Politiker und Industriebosse schon immer lieber in Ruhe ihre Geschäfte und Kontakte, unabhängig von der in China praktizierten Zensur und Unterdrückung geknüpft. Durch die Olympischen Spiele in Peking kommt nun der Menschenrechtsaspekt und die Moral wieder vermehrt in den Focus der Öffentlichkeit. Ein voreilig geforderter Olympiaboykott wäre nur ein billiges Bauernopfer, denn ein sportpolitisches Signal könnte man zwar dadurch wie 1980 in Moskau schnell mal setzen. Das tut dem Geldbeutel nicht so weh. Die Dummen sind dann aber vor allem die Athleten, die sich jahrelang auf diesen Höhepunkt vorbereiten. Selbst der damalige Aussenminister Hans Dietrich Genscher hält den 1980er Boykott (Grund: Einmarsch der Russen in Afghanistan!) im Nachhinein für einen Fehler. Die Russen hinderte das aber nicht an weiteren Bombardements. Es hat nichts bewirkt. Ich erlaube mir kritische Fragen: Heute besetzt die USA (genauer: die Bush-Administration!) äußerst fragwürdig den Irak und kämpft (mit uns) gegen den erklärten Terroristenfeind in Afghanistan. Werden hier gegenüber der Zivilbevölkerung oder in Guantanamo immer die Menschenrechte eingehalten? Gilt hier auch doppelte Moral, derselbe Massstab wie für China? Wenn jetzt die Athleten als medienwirksame Schnelllösung herhalten und verzichten müßten, dann bitte aber auch begleitet von einer anderen Moral von Politik und Industrie. Dann müßte es doch beispielsweise einen von offiziellen Kreisen getragenen Handelsboykott gegen Produkte "Made in China" geben. Das wäre natürlich, wenn man es wirklich ernst meint, viel wirkungsvoller. Aber so wird es nicht kommen. 10 Milliarden Euro hat die Deutsche Industrie alleine im Jahr 2005 nach China investiert. Der Exportweltmeister Deutschland braucht China, aber braucht China auch uns? Daher geht angesichts der Boykottdiskusionen die Angst vor Image- und finanziellem Verlust in der deutschen Industrie um. Brot und Spiele, the games and the business must go on...

Free Tibet Proteste beim Hamburg Marathon - Foto Copyright: www.herbertsteffny.de
Protestkundgebungen gab es nicht nur beim olympischen Fackellauf, sondern auch wie hier in Hamburg bei vielen Laufveranstaltungen in Deutschland und weltweit. Peinliches "Made in China" Kuriosum am Rande: Selbst die verbotene "Free-Tibetfahne" wurde kostengünstig in einer Fabrik in Südchina hergestellt. Das seit 1912, auch als "Snow-Lion-Flag" bekannte Banner wurde von Exil-Tibetern aus dem Ausland bestellt. Den Arbeitern und dem Fabrikbesitzer war angebklich nicht bewusst, das es sich um das verbotene Symbol für Tibet handeln würde.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

"Lauf der Harmonie" wird zum Spießrutenlauf

Aus dem angekündigten "Lauf der Harmonie", dem olympischen Fackellauf, wird momentan ein Spießrutenlauf gespickt mit Protestkundgebungen gegen die chinesische Politik der Unterdrückung und den Toten in Tibet. Vielleicht möchte Volkswagen die bereitgestellten Begleitfahrzeuge mittlerweile lieber wieder verstecken. Die sollen schließlich auch durch Tibet den dort als Provokation empfundenen Fackellauf begleiten. Hat das IOC über diese Missachtung der Tibeter nicht nachgedacht? Der Feuerlauf selbst ist kommerzverseucht und hat mit seinen Sponsoren Coca Cola, Samsung und dem chinesischen PC-Hersteller Lenovo auch längst seine Unschuld verloren. Das IOC verdient sich an dem exklusiven Vermarktungsritual eine goldenen Nase und hat so gesehen kein Interesse den Fackellauf oder die Spiele abzusagen. Nicht zu vergessen bleibt auch, dass der olympische Fackellauf nicht zum ersten Mal problematisch ist und missbraucht wurde. Historisch ist er von Carl Diem eingeführt worden und wurde von den Nazis 1936 bei den Spielen in Berlin propagandistisch missbraucht.


"Free Tibet"- Protest beim Luxemburg Marathon 2008.
(Foto: Thomas Lauterbach)

Tausende Polizisten wie beim Castortransport

Das heutige völkerverbindende Element einer Olympiastafette ist eigentlich nicht schlecht. Aber der Hintergrund muss stimmen. Zu einer Lachnummer wird der von 3.000(!) Polizisten in Paris geschützte Lauf allerdings angesichts der Unterdrückung der Minderheiten innerhalb Chinas. Da denkt man doch eher an einen Castor-Transport nach Gorleben. Ich selbst durfte einmal das olympische Feuer vor den Spielen in Lillehammer auf einem Abschnitt bei Stuttgart tragen. Es war ein schönes Erlebnis und wir waren damals nicht von einem mehrreihigen Korridor von Sicherheitsbeamten umgeben. Niemand wollte im Feuereifer die Flamme löschen. Die Stimmung war fröhlich, nicht bedrohlich, es ging eben nach Lillehammer! Mit Peking als Austragungsort hat sich das IOC allerdings selbst (mit Dollarzeichen in den Augen?) eine Fußangel gelegt. Der fallengelassene Mitbewerber Paris wäre in dieser Beziehung unproblematisch gewesen. Aber den Chinesen kann man noch Cola und Hamburger unterjubeln. Vielleicht waren dem IOC die möglichen Werbeeinnahmen und Verkaufsrechte wichtiger als das eigentliche Motto: die "Jugend der Erde friedlich und harmonisch im fairem Wettstreite zusammen zubringen". Nein, nein! Ich bin nicht olympisch-blauäugig. Auf Doping (1993 rollte der China-Express des Trainers Ma Junren kurzzeitig alle Frauenweltrekorde von 1.500 bis 10.000 Meter platt) und die Medaillenspiegel, die als "Krieg mit anderen Waffen" auch vom Westen mißbraucht werden, möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen.

Eurosport-TV-Sendungen in China zensiert

Harmonie und Völkerverständigung? Mitnichten, wenn, dann nur nach chinesischen Spielregeln! Gerade haben die chinesischen Behörden den TV Sender Eurosport darüber informiert, dass der Bildschirm bei der Ausstrahlung der Magazinsendung "Road to Beijing" in China mehrfach schwarz blieb. In den TV-Beiträgen werden einzelne Weltklasseathleten portraitiert und gezeigt wie sie sich auf die Wettkämpfe vorbereiten. Diese Zensur ist in China technisch möglich, da ausländische Sendungen zeitversetzt ausgestrahlt werden. Somit bleibt den Behörden bei nicht liebsamen Inhalten noch Zeit einzugreifen, bzw. rechtzeitig auszublenden. Sollten die Athleten in Peking also wie angekündigt häufiger zu Protestaktionen den Nerv haben, so werden die Chinesen vielleicht noch zu einem Volk von "Schwarzsehern" mutieren.

Athletenproteste und Aktionen "Sports for human rights" unter: www.netzathleten.de

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